Freitag, 27. April 2007

Wir haben's schon gut: Morgen begeben wir uns auf unsere zweite, vom ECCS organisierte Exkursion. Diesmals gehts nach Datong, wo wir eine berühmte Grotte, einen Tempel und die Kohleminen besichtigen werden.
Nächste Woche ist Erste-Mai-Woche, da ist in China dann die Hölle los. Ganz China hat frei, da der Internationale Tag der Arbeit - wie es sich gut kommunistisch gehört - gemeinsam gefeiert wird. Ich hoffe, in der "Viererbande" mit meinen Jungs dem Rummel etwas entfliehen zu können, wir gehen ins buddhistische Wutaishan Gebirge wandern.
Euch allen wünsche ich für die kommende Woche alles Gute!


Frühling...

Für alle die, die mich gebeten haben, ein Bild von meinem 5€-Fahrrad zu veröffentlichen. Da ist es nun...das vordere, natürlich... Es ist jeden Tag fest in Gebrauch, ohne geht nix mehr :-)

Der Eingang zum Hof unserer philosophischen Fakultät

Im Zhexuexi

Es grünt so grün...

Samstag, 21. April 2007

Frühlingsfahrt durch Peking

Es ist Frühling geworden in Peking! Wunderbar! Innerhalb der letzten wenigen Tagen hat alles zu spriessen und blühen begonnen, das Gras ist grün geworden, die Bäume tragen frische Blättchen und es ist schon fast sommerlich warm, sogar abends. Die Luft ist noch immer sehr trocken und windig, Peking erscheint mir noch staubiger als sonst. Nichtsdestotrotz macht die wärmende Frühlingssonne gute Laune, fast scheint es mir, als würden auch die reservierten, beherrschten Pekinger so langsam aus ihrer Winterstarre erwachen.

Zum Frühling in Peking gehört natürlich mein Fahrrad. Ich hatte mir seit ich hergekommen bin vorgenommen, erst im Frühling ein Fahrrad zu kaufen. Viele haben mit totalem Unverständnis darauf reagiert, ich aber finds klasse! 5€ hat das rostbraune Ding gekostet, mit einem grossen, knallroten Fahrradschloss. Natürlich lässt sich der Lenker nur sehr grobmotorisch bedienen und nach einer halben Stunde Fahrt läuft man auch wieder ganz gerne ein Stück. Aber was will man mehr für 5€? Es tut seinen Zweck wie fast alles hier, auch wenn es nicht unseren Ästhetik und Komfort-Ansprüchen entspricht.

Peking hat seinen Ruf als „Königreich der Fahrräder“ schon seit einigen Jahren eingebüsst. Das Verkehrschaos ist mittlerweile zu gross, heute haben die motorisierten Fahrzeuge das Sagen. Dennoch: Wo sonst findet man an jeder grösseren Strasse Fahrradstreifen, die so breit sind wie bei uns zwei Autospuren?

Bei meiner allerersten Fahrt durch Peking habe ich dann doch etwas gespürt vom verblassten Ruf. Es war ein Uhr nachts und ich bin kreuzvergnügt durch die gewaltig breiten, leeren Strassen gegondelt, habe zum ersten Mal gemerkt wie uneben die Strassen sind und mich wieder einmal gewundert wie es möglich ist, dass eine so grosse Stadt nachts so ruhig und menschenleer sein kann. Die Perspektive wird plötzlich eine völlig andere auf dem Fahrrad, das ist interessant.

Am nächsten Tag musste ich mein Fahrrad dann erst mal in Revision geben. Meine nächtliche, exzessive Nutzung waren ihm nicht gut bekommen, es hatte eine Platte, die Bremsen hatten noch gar nie funktioniert und auch sonst musste einiges gerichtet werden. Die Revision hat genau 1€ gekostet... Schon witzig: Wenn man einkaufen geht, dann recken alle Chinesinnen die Köpfe und schauen ganz unverhohlen, was eine Westlerin alles im Einkaufskorb hat. Kommt man als Westlerin auf einem „normalen“ (Krüppel-)Fahrrad dahergegurkt, dann müssen alle Chinesen plötzlich ganz genau schauen, wie sich eine Ausländerin durch das Chaos von Autos, Fahrrädern und Passanten schlängelt. So frage ich mich, ob Fahrrad fahren hier mehr ist als das Überwinden einer geografischen Distanz. Vielleicht beginnt der Flirt hier schon beim Fahrrad fahren. Vielleicht ist auch einfach Frühling...

Dienstag, 17. April 2007

Chengde...

Von Freitag bis Sonntag waren wir als über 80-köpfige Reisegruppe, bestehend aus „uns Tübingern“, Würzburgern und samt unseren chinesischen Lehrern, auf Exkursion. Es war ein chinesisches Programm, sprich, wir wurden von einer Attraktion zur nächsten gebracht und von der Reiseleiterin zugeplappert. Unser erstes Reiseziel war der am besten erhaltene Teil der Grossen Mauer, von Peking aus etwas über 2h Fahrt in nördlicher Richtung gelegen.

Nach ein paar Schritten auf der Mauer fuhren wir nach Chengde und bezogen dort unser Hotel. Chengde habe ich schon beim Einfahren in die Stadt als sehr hässlich und ungemütlich empfunden. Man versucht zwar, sich als angenehme Touristenstadt zu etablieren. Seltsamerweise habe ich alle Anstrengungen, die bis anhin dafür unternommen worden sind, als blosses Aufbauen einer Fassade verstanden, die die sichtbare Armut und der sorglose Umgang mit den gegebenen Ressourcen nicht zu überdecken vermag. Als blosser Irrwitz erscheint es, wie nagelneue, staatliche Prunkgebäude neben Feldern stehen können, auf denen die Kloake vor sich hin dümpelt.

Die Gegensätze, die dort in einem fort mit grosser Wucht aufeinander prallen, sind wirklich krass. Und sie machten es mir äusserst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die tollen Klöster und Orte, die wir besucht haben, zu geniessen. Was nützt mir eine eindrückliche Klosteranlage, wenn ich anstatt auf eine tolle Landschaft auf Fabrikschlote blicke? Wie kann ich mich für das örtliche Glasbläserhandwerk begeistern, wenn ich die bereits zusammengeschundenen Jugendlichen, die dort im Akkord Glas blasen, sehe? Wie kann ich mich da mit gutem Gewissen zum Abendessen in das teuerste Lokal der Stadt setzen und mich bedienen lassen, als wäre ich etwas Besseres? Ich musste realisieren, dass ich bis anhin nur das schöne, reiche, entwickelte China gesehen hatte. Zum ersten Mal vielleicht habe ich etwas vom Entwicklungsland China gespürt.

Dann habe ich noch etwas Seltsames erlebt: Je mehr wir uns am Sonntagabend dem Stadtteil Pekings, der mir vertraut ist, genähert haben, desto mehr hat mich ein sonderbares Gefühl von Erleichterung überkommen. Und ganz leise hat da sogar etwas von Heim kommen mitgeschwingt.


Donnerstag, 12. April 2007

Christine in Shanghai



Wenn ich hier erzählen wollte, wie wir am Donnerstag Abend mit dem Nachtzug nach Shanghai gefahren sind, wie eindrücklich unsere Tempelbesuche waren, wie spannend die Museen und Gärten, wie atemberaubend die Bootsrundfahrt mit Blick auf die moderne Skyline, wie chic wir uns vorgekommen sind beim Schlürfen der Drinks im 87. Stockwerk des höchsten Hotels, wie berauschend das Handeln und Shoppen waren, wie toll die Fahrt mit der Magnetschwebebahn und der Flug Montagnacht zurück nach Peking; wenn ich von dem allem erzählen wollte, würde ich nicht mehr fertig werden! Von unserem Abstecher nach Hangzhou am Ostersonntag ganz zu schweigen. Bleiben wir also bei Shanghai. Und bei meiner Begeisterung für die Stadt! Shanghai ist grosse Klasse! Shanghai hat etwas von „meinem“ China, das ich in Peking manchmal noch immer vermisse. Die Stadt hat etwas sehr Südländisches, ist lebendig und quirlig, laut, bunt, selbstbewusst und modern. Vor allem Abends, so, als wäre das lebendige Treiben tagsüber nur ein Vorgeschmack auf das was kommen würde gewesen, scheint das Leben erst richtig zu pulsieren zu beginnen. Überall reizen Leuchtreklamen, glitzern Lichter, laufen Fernseher. Von überall her ertönt Musik, einige tanzen dazu. Schöne Männer tragen selbstbewusst ihre sorgfältig gestylte Haarpracht zur Schau, die Abendgarderoben der Chinesinnen blinken und glitzern wie die Werbepaneels am Bund des Huangpu.
Aber auch in Shanghai trifft man auf die interessanten Gegensätze jeder chinesischen Stadt, überall flattert Wäsche zum Trocknen, ausgeflippte Wolkenkratzer reihen sich an Hochhäuser und diese sich an ehrwürdige Häuser im europäischen Kolonialstil aus den 30ern.

Und dann sind da die heruntergekommenen Altstadtteile, die bangend in das Dunkel der Nacht hinein warten und fernab von jeglichem Grossstadthype nur die eine Hoffnung kennen, die Hoffnung, am nächsten Tag nicht einem ehrgeizigen Bauprojekt für einen noch neueren, noch chiceren, noch moderneren und noch teureren Wolkenkratzer zum Opfer zu fallen. Das alles und noch viel mehr ist Shanghai. Vielfältig, aufregend, anstrengend und beeindruckend. Kurz bevor wir zum Flughafen gefahren sind bin ich für kurze Zeit da gestanden, habe meine aufladbare U-Bahn Karte in den Händen hin und her gewendet und habe mit dem Gedanke gespielt, sie trotz Kaution und obwohl ich nicht weiss, wann ich das nächste Mal in Shanghai sein werde, nicht zurück zu geben. „Wie unbeschreiblich toll wäre es“ dachte ich kurz, „die Karte bei meinem nächsten Aufenthalt in Shanghai wie selbstverständlich aus dem Geldbeutel zu fischen und, als täte ich diese Bewegung jeden Tag mehrere Male, sie lässig über das Kontaktfeld zu ziehen...“ Dann habe ich die Karte doch zurück gegeben. Macht ja nichts. Christine war in Shanghai!

Christine in Shanghai. Wer weiss, vielleicht werde ich in näherer Zukunft bald einen Blog eröffnen unter diesem Titel...

Montag, 2. April 2007

798 - Pure Begeisterung!

Die Chinesische Gegenwartskunst hat mich schon vor Beginn meines Sinologiestudiums in ihren Bann gezogen. Seither begleitet, beschäftigt und begeistert sie mich, habe ich einige Ausstellungen besucht, einige Bücher und Artikel gelesen, schon unzählige Ausstellungskataloge durchgeblättert und das Internet durchforstet. Dieses Wochenende war ich im Künstlerviertel Pekings, dort, wo diese Kunst entsteht, an ihrer Produktionsstätte gewissermassen. Produktionsstätte deshalb, weil das Areal mit dem Name 798 ein heruntergekommenes, schon lange stillgelegtes Fabrikgelände aus den 1950er Jahren ist. Hier verschmelzen in fast unwirklicher Weise die unästhetische Fabrikumgebung mit ihren rohen, ungetünchten Backsteinwänden, rostigen Rohren und Leitungen, ausgedienten Maschinen und Produktionshallen mit den kleinen, hergerichteten Galerien und Studios der Künstler, mit den präsentierten Werken. In den riesengrossen Fabrikhallen flirten die übergrossen Schriftzeichen der noch immer sichtbaren, mit roter Farbe an die Wand gemalten kulturrevolutionären Sprüche mit den Schriftzügen auf den neuesten Kunstwerken der Maler, diese wiederum mit den Zeichen auf den Informationsschildern für uns Besucher. Da stehen die Künstler, schneiden grossformatige Leinwände zu, hängen fertige Bilder Probe. Das Ambiente ist unglaublich, die visuellen Reize und deren Wirkung auf den Besucher fast unerträglich beeindruckend. Plötzlich scheint alles Kunst zu sein auf dem Areal, die heruntergekommenen Steinbauten gleichermassen wie die Kunstwerke, die Beschriftungen aus dem kulturrevolutionären Fabrikbetrieb wie auch die herumstehenden Plastiken, selbst die achtlos weggeworfene Zigarettenschachtel mit dem widersprüchlichen roten Schriftzeichen für ein langes Leben scheint nicht zufällig auf dem Boden zu liegen. Unbeschreiblich, so etwas habe ich noch nie erlebt!
Um in die Studios der Künstler zu gelangen muss man teils durch dunkle, tunnelartige Gänge gehen oder enge Treppen steigen. Dann steht man ganz in Gedanken versunken vor den Bildern, versucht zu verstehen was der Künstler einem mitteilen möchte, versucht Herr zu werden über all die Fragen, die einem gleichzeitig durch den Kopf schiessen. Plötzlich wird man vom Künstler persönlich freundlich angesprochen, endlich hätte man die Gelegenheit, diesen Menschen etwas zu fragen. Und dann erzählt man doch nur in höflichem Chinesisch wo man herkommt, was man hier tut und versichert dass man begeistert sei.
Gleichzeitig aber meint man zu sagen, dass man gerade etwas von unglaublich grosser Bedeutung erlebt, dass gerade ein wesentliches Puzzleteil mehr dabei ist, sich in ein grosses Ganzes einzufügen, dass man zwar noch nicht wisse was für ein Peking-Sujet das Puzzle ergeben wird, man aber das Gefühl habe gerade eben wieder ein Stück weiter gekommen zu sein. Und wer weiss, vielleicht sagt man es ja auch, in gewisser Weise.