Montag, 2. April 2007

798 - Pure Begeisterung!

Die Chinesische Gegenwartskunst hat mich schon vor Beginn meines Sinologiestudiums in ihren Bann gezogen. Seither begleitet, beschäftigt und begeistert sie mich, habe ich einige Ausstellungen besucht, einige Bücher und Artikel gelesen, schon unzählige Ausstellungskataloge durchgeblättert und das Internet durchforstet. Dieses Wochenende war ich im Künstlerviertel Pekings, dort, wo diese Kunst entsteht, an ihrer Produktionsstätte gewissermassen. Produktionsstätte deshalb, weil das Areal mit dem Name 798 ein heruntergekommenes, schon lange stillgelegtes Fabrikgelände aus den 1950er Jahren ist. Hier verschmelzen in fast unwirklicher Weise die unästhetische Fabrikumgebung mit ihren rohen, ungetünchten Backsteinwänden, rostigen Rohren und Leitungen, ausgedienten Maschinen und Produktionshallen mit den kleinen, hergerichteten Galerien und Studios der Künstler, mit den präsentierten Werken. In den riesengrossen Fabrikhallen flirten die übergrossen Schriftzeichen der noch immer sichtbaren, mit roter Farbe an die Wand gemalten kulturrevolutionären Sprüche mit den Schriftzügen auf den neuesten Kunstwerken der Maler, diese wiederum mit den Zeichen auf den Informationsschildern für uns Besucher. Da stehen die Künstler, schneiden grossformatige Leinwände zu, hängen fertige Bilder Probe. Das Ambiente ist unglaublich, die visuellen Reize und deren Wirkung auf den Besucher fast unerträglich beeindruckend. Plötzlich scheint alles Kunst zu sein auf dem Areal, die heruntergekommenen Steinbauten gleichermassen wie die Kunstwerke, die Beschriftungen aus dem kulturrevolutionären Fabrikbetrieb wie auch die herumstehenden Plastiken, selbst die achtlos weggeworfene Zigarettenschachtel mit dem widersprüchlichen roten Schriftzeichen für ein langes Leben scheint nicht zufällig auf dem Boden zu liegen. Unbeschreiblich, so etwas habe ich noch nie erlebt!
Um in die Studios der Künstler zu gelangen muss man teils durch dunkle, tunnelartige Gänge gehen oder enge Treppen steigen. Dann steht man ganz in Gedanken versunken vor den Bildern, versucht zu verstehen was der Künstler einem mitteilen möchte, versucht Herr zu werden über all die Fragen, die einem gleichzeitig durch den Kopf schiessen. Plötzlich wird man vom Künstler persönlich freundlich angesprochen, endlich hätte man die Gelegenheit, diesen Menschen etwas zu fragen. Und dann erzählt man doch nur in höflichem Chinesisch wo man herkommt, was man hier tut und versichert dass man begeistert sei.
Gleichzeitig aber meint man zu sagen, dass man gerade etwas von unglaublich grosser Bedeutung erlebt, dass gerade ein wesentliches Puzzleteil mehr dabei ist, sich in ein grosses Ganzes einzufügen, dass man zwar noch nicht wisse was für ein Peking-Sujet das Puzzle ergeben wird, man aber das Gefühl habe gerade eben wieder ein Stück weiter gekommen zu sein. Und wer weiss, vielleicht sagt man es ja auch, in gewisser Weise.

1 Kommentar:

Sebastian hat gesagt…

Frohe Ostern! :)