Samstag, 21. Juli 2007

Bambus


Die zwei wichtigsten und anspruchsvollsten Prüfungen, Klassisches Chinesisch und modernes Chinesisch schriftlich, haben wir hinter uns! Die Schlacht ist aber keineswegs schon gewonnen, es geht noch weiter. Versteht mich nicht falsch wenn ich hier von Schlacht und Sieg spreche. Natürlich wird es letztlich nur Gewinner geben, denn was wir in diesem halben Jahr hier alles gelernt haben, hätten wir in unserem gewohnten Umfeld unmöglich so lernen können. Die Prüfungen waren aber durchaus ein Kampf, bereits die intensive Vorbereitungszeit war eine Nervensache. Die Stimmung wird ziemlich angriffig gehalten, es kommt mir vor, als müssten wir gegen einen eisigen Wind ankämpfen, der uns alle droht zu Boden zu werfen und von dem wir nicht einschätzen können, woher er plötzlich kommt. Mentale Stärke ist gefragt, vielleicht sind wir auch gerade dabei zu lernen, uns nach dem Bambus-Prinzip zu verhalten: Sich einerseits nicht niederdrücken lassen, sich aber anderseits auch nicht gegen den Wind zu stemmen. Tut man ersteres, kommt man viel zu langsam oder gar nicht mehr hoch, tut man letzteres, knickt man. Also liegt die Kunst darin, sich mit dem Wind zu biegen, nur so weit und so lange wie unbedingt nötig, um sich danach wieder ganz aufrichten zu können.


Mittwoch, 11. Juli 2007

"病"

Wie eigentümlich bekannt mir das alles vorkommt! Es muss mir fast schon zyklisch erscheinen, so, als gäbe es keinen anderen natürlichen Verlaufsprozess. Ich befinde mich in der letzten Unterrichtswoche. Eine Woche vor Prüfungsbeginn. Und ich bin dabei, etwas ganz Grosses, Wichtiges und Prägendes in gewisser Weise abzuschliessen. Natürlich geht es nur darum, mein viertes Semester abzuschliessen, nichts geht in endgültiger Form zu Ende. Und dennoch, es ist ein grosses Abschiednehmen. Und wie das nun eben so ist bei mir, ich bin nicht, wie man meinen könnte und wie ich es mir wünschen würde, an der Uni in dieser allerletzten Unterrichtswoche. Stattdessen mustere ich in Gedanken versunken die in warmem weiss tadellos gestrichene Zimmerdecke über meinem Bett. Wenn diese Tage am Ende der Stunde ein letztes Mal die von einigen verhassten Anwesenheitslisten durch die Klasse gehen, dann werden die Lehrer dort, wo sonst immer die „Chrysanthemenliebende“ steht, ein „bing“, das Schriftzeichen für krank, ins Kästchen schreiben.

Wie jedes Mal wieder sinniere ich daheim nun über dieses seltsame Werteverhältnis, darüber, wie der Wert einer Unterrichtsstunde mit sich verringernder Anzahl steigt. Trotz meinem Verschmähen alles auch nur annähernd Mathematischen versuche ich mir zu überlegen, ob diese Wertezunahme nun proportional, potential oder differential :-) erfolgt. (Ich komme leider zu keiner Lösung!) Ob sich nun auch noch aufzeigen lässt, wie sehr sich der Wert der Unterrichsstunden dadurch zusätzlich steigert, dass ich nicht dabei sein kann, dies aber möchte? (Und ja, ich bin wohl wirklich krank! ;-))

Wie auch immer, drückt mir die Daumen dass ich morgen wenigstens zur allerletzten Unterrichtsstunde gehen kann. Schon einmal bin ich nachträglich ins Gruppenbild eingefügt worden...


Freitag, 6. Juli 2007

Café Paradiso

Heute habe ich meine erste Abschlussklausur geschrieben. Viertel nach drei nachmittags wurden unsere Prüfungen eingesammelt. Es ist Freitagnachmittag. Wochenende. Noch zu früh um sich auf den Heimweg zu begeben. Also ins Café Paradiso. Mit meinen zwei Kommilitonen betrete ich das Campuscafé im Untergeschoss eines grossen Unigebäudes. Angenehme Kühle weht uns entgegen, gleichzeitig steigt uns der entspannende Geruch von frisch gemahlenem Kaffee in die Nase. Wie immer läuft sanfte Hintergrundmusik; als wir reinkommen ist es tatsächlich die chinesische Liebesbalade, die ich als allererstes chinesisches Lied überhaupt zu singen gelernt habe. In dem überschaubaren Raum dominieren Holz und Brauntöne. Und das Schwarz der Haarschöpfe natürlich. Fast jedes der kleinen, quadratischen Holztischchen ist besetzt. An einigen sitzen Studenten, entweder vor dem Laptop oder umgeben von Bücherstapel. An den meisten Tischen aber sitzen mehrere Studenten, die angeregt diskutierend zu dem unaufdringlich munteren Stimmenenwirrwarr im Café beitragen. Immer wieder löst sich ein Satzfetzen aus dem Geräuschteppich und dringt ins Bewusstsein ein. Dann wieder hört man ganz bewusst hin, entweder aus Neugier oder weil das Gehirn den Reiz nicht aufnehmen kann. Ah, das war ja koreanisch... Dieses Stimmengewirr mag ich hier besonders, jedes Mal wieder wenn ich hier her komme. Wie oft wir schon hier unten waren weiss ich nicht, es lässt sich nicht mehr zählen. Die Gemütlichkeit im Studentencafé ist schon lange dem Heimischen gewichen.
Dann sitzen auch wir da mit unseren Getränken, auch unsere Stimmen gesellen sich zu all den anderen, mischen sich in das Wogen, in das Auf und Ab der Geräuschkulisse.

Bereits gibt es ein paar Gesichter, die ich vermisse, wenn ich in diesen Tagen hier her komme. Das Semester geht zu Ende. Das der koreanischen Studenten ist um, das der Chinesen grösstenteils auch, schräg gegenüber sitzen zwei Studenten in Bachelor-Tracht, ihre Hüte haben sie vor sich auf dem Tisch, so wie wir unseren Kaffee. Bald wird auch unser Studiensemester vorüber sein, drei Wochen noch. Bald werde ich zum letzen Mal so dasitzen wie heute, die Tasse vor mir auf dem Holztischchen, in ein munteres Gespräch verwickelt. Aber es wird weiterhin angeregte Gespräche geben. Und hoffentlich andere Café Paradisos.