Dienstag, 17. April 2007

Chengde...

Von Freitag bis Sonntag waren wir als über 80-köpfige Reisegruppe, bestehend aus „uns Tübingern“, Würzburgern und samt unseren chinesischen Lehrern, auf Exkursion. Es war ein chinesisches Programm, sprich, wir wurden von einer Attraktion zur nächsten gebracht und von der Reiseleiterin zugeplappert. Unser erstes Reiseziel war der am besten erhaltene Teil der Grossen Mauer, von Peking aus etwas über 2h Fahrt in nördlicher Richtung gelegen.

Nach ein paar Schritten auf der Mauer fuhren wir nach Chengde und bezogen dort unser Hotel. Chengde habe ich schon beim Einfahren in die Stadt als sehr hässlich und ungemütlich empfunden. Man versucht zwar, sich als angenehme Touristenstadt zu etablieren. Seltsamerweise habe ich alle Anstrengungen, die bis anhin dafür unternommen worden sind, als blosses Aufbauen einer Fassade verstanden, die die sichtbare Armut und der sorglose Umgang mit den gegebenen Ressourcen nicht zu überdecken vermag. Als blosser Irrwitz erscheint es, wie nagelneue, staatliche Prunkgebäude neben Feldern stehen können, auf denen die Kloake vor sich hin dümpelt.

Die Gegensätze, die dort in einem fort mit grosser Wucht aufeinander prallen, sind wirklich krass. Und sie machten es mir äusserst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die tollen Klöster und Orte, die wir besucht haben, zu geniessen. Was nützt mir eine eindrückliche Klosteranlage, wenn ich anstatt auf eine tolle Landschaft auf Fabrikschlote blicke? Wie kann ich mich für das örtliche Glasbläserhandwerk begeistern, wenn ich die bereits zusammengeschundenen Jugendlichen, die dort im Akkord Glas blasen, sehe? Wie kann ich mich da mit gutem Gewissen zum Abendessen in das teuerste Lokal der Stadt setzen und mich bedienen lassen, als wäre ich etwas Besseres? Ich musste realisieren, dass ich bis anhin nur das schöne, reiche, entwickelte China gesehen hatte. Zum ersten Mal vielleicht habe ich etwas vom Entwicklungsland China gespürt.

Dann habe ich noch etwas Seltsames erlebt: Je mehr wir uns am Sonntagabend dem Stadtteil Pekings, der mir vertraut ist, genähert haben, desto mehr hat mich ein sonderbares Gefühl von Erleichterung überkommen. Und ganz leise hat da sogar etwas von Heim kommen mitgeschwingt.


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