Sonntag, 20. Mai 2007

Halbzeit und noch kein Bisschen langweilig - im Konzert

Meint nur nicht, mir sei der Gesprächsstoff ausgegangen jetzt in der Halbzeit meines Aufenthalts. Dies wäre weit gefehlt! Viel eher frage ich mich nämlich, wo die Zeit geblieben ist. Ich stelle mit Verwunderung fest, dass ich auch nach drei Monaten vieles noch nicht gesehen habe, obwohl ich nun wirklich ständig unterwegs bin. Doch ich freue mich auch darüber. Die nächsten drei Monate drohen also nicht langweilig zu werden...

In letzter Zeit habe ich ein paar Konzerte besucht, hier auf dem Universitätscampus der Beida. Das Angebot ist gross und bisher hatte ich sogar das Glück, von Mitwirkenden Studenten direkt Freitickets zu bekommen. Die Darbietungen waren sehr unterschiedlich, meist Gemeinschaftskonzerte, von grandios bis zu fast peinlich. Wie toll die Darbietung auch war, jedes Mal bin ich mit gemischten Gefühlen hinausgegangen. Wegen der Atmosphäre und Inszenierung des Konzertes an sich. Die westlichen Konzertkonventionen scheinen bei den Elitestudenten so gut wie noch nicht angekommen zu sein. Hier kommt man primär zum Konzert, um sich zu entspannen. Dies zeigt sich darin, dass viele Studenten mit Augenbinden schlafend in den Sesseln hängen oder auch lesen. Die meisten aber finden im Konzertsaal die optimale Musse, sich ausgiebig der Korrespondenz zu widmen. Jeder hat sein Handy im Schoss liegen und wartet gespannt auf die nächste SMS. Das würde aber alles noch gehen. Auch dass Leute oft rein und raus gehen während des Konzertes oder dass die Studentenschaft geizig umgeht mit Applaus darf mich nicht stören. Was mich aber jedes Mal völlig aus der Bahn geworfen hat ist, wie das Publikum es jeweils geschafft hat, kaum war der letzte Takt des letzten Programmpunktes verklungen, fast fluchtartig den Konzertsaal zu verlassen. So liessen sie auch den amerikanischen Strahlechor, der zuvor noch durch das gesunde Selbstbewusstsein seiner Mitwirkenden überzeugt hatte, mit langen, verdatterten Gesichtern dastehen. Ich hätte so etwas nicht für möglich gehalten, aber da kann man sich urplötzlich traurig und entwurzelt fühlen, fast ist man wütend auf die Massen, die einem das ganze Konzerterlebnis zunichte gemacht haben. Und man wird beim Hinausgehen das Gefühl nicht los, eine CD hätte es unter solchen Umständen auch getan.
Ich mag den Überlegenheits-Touch nicht, der einer solchen Wertung anhaftet. Dennoch, ich kann nicht umhin es zu sagen: Da müssen sie noch viel lernen!

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