Freitag, 2. März 2007

Mein erster Tag an der Peking Universität 北京大学

Donnerstag, 01.03.07

Heute war mein erster Tag an der Uni! Um pünktlich 8 Uhr begann der Unterricht. Nein, hier gibt es keine c.t. Regelung! So also wollten heute Morgen um halb sieben drei Frauen gleichzeitig in die Dusche, was aber ganz gut geklappt hat. (Schön nacheinander, natürlich!). Mit dem Morgenessen tun wir uns da schon schwerer: Cornflakes kann man vergessen, da diese wirklich extrem teuer sind. Auf süssliches, matschig-weiches Toastbrot haben wir keine grosse Lust und bisher haben wir uns noch nicht überwinden können, raus auf die Strasse zu gehen um irgendwelche Baozi, einen Reisbrei oder eine Nudelsuppe zu holen. Das werden wir in den nächsten Tagen aber bestimmt ausprobieren. Also besteht mein Frühstück zur Zeit aus Bananen, Orangen und einer ganzen Ladung süsser Datteln.

Spätestens um halb acht müssen wir unten an der Bushaltestelle stehen wenn wir eine Chance haben wollen, einen Bus zu erwischen, der uns rechtzeitig zur Beida befördert. Natürlich waren wir heute Morgen später dran und so mussten wir uns, zugegeben, das ist schon fast dekadent, mit dem Taxi an die Uni chauffieren lassen. Das Taxi kostet für diese Strecke etwa einen Euro, der Bus 10 Cent, die Anschaffung eines fahrtüchtigen Fahrrades würde etwa 9 Euro betragen. Taxis sind natürlich schon praktisch: Man ist den Abgasen nicht direkt ausgesetzt, ist im Verkehrschaos einigermassen geschützt, wird nicht zerquetscht wie in einem vollen Bus, kann sich mit dem Taxifahrer unterhalten und somit sein morgendliches Hirn auf Touren bringen und man wird direkt vor das Institut gefahren. Und doch: Es gehört sich nicht für einen Studenten, schon gar nicht für einen prolligen Westler...

Im philosophischen Institut, einem wunderbar altertümlichen, typisch chinesischen Gebäude mit Innenhof, wurde meine Klasse von einer strahlenden und hoch motivierten Lehrerin empfangen. Bis um 12 Uhr hatte ich Sprachunterricht, mündliches und schriftliches Chinesisch. Dann ging's zum ersten Mal in die Mensa. Das heisst, in eine der unzähligen Mensen auf dem grossen Campus; wir wählten die „Nudel-Mensa“. Eine chinesische Mensa haut dich um: Drinnen herrscht ein wahnsinniger Betrieb, die Auswahl ist riesig und du bekommst einen so grossen Teller Nudelsuppe, dass du ihn niemals aufessen kannst. Preis: 25 Cent! Danach wird man von einem chinesischen Studenten stolz in ein auf westlich gemachtes Kaffee geführt auf dem Campus, wo ein Tässchen Cappuccino seinen stolzen Euro oder mehr kostet. Die Spannweite bei Preisen ist sehr gross, oder anders ausgedrückt, man bekommt für sein Geld entweder unglaublich viel, oder dann gleich viel oder auch weniger als bei uns, je nach Bedürfnissen.

Von einem aufgeschlossenen Chinesen, der exzellent deutsch spricht und plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war, wurde ein kleines Grüppchen von uns nach dem Kaffee über den halben Campus geführt und wir bekamen äusserst hilfreiche Insider-Tipps. Später marschierten wir zurück in unsere Wohnung, was etwa eine knappe halbe Stunde dauert, und ich ging dann für den Unterricht des Klassischen Chinesisch um 17 Uhr wieder zur Uni. Dann probierten wir eine andere Mensa aus. Marschierten danach „nach Hause“, an all den mehr oder weniger gelangweilt herumstehenden, uniformierten Wachposten und Wachmännern, uniformierten Aufpassern und Polizisten, uniformierten Überwachern und Kontrolleuren vorbei. Passierten heimwärts hetzende Businessleute in einheitlichen Anzügen, Schulkinder in Schuluniformen, Arbeiter in gleichartiger Arbeitskleidung, Angestellte in entsprechenden Anzügen, Mädchencliquen mit gleich frisierter Haarpracht und sich wie zufällig Händchen-haltende Pärchen in Partnerlook-Jacken.

An uns brausten hunderte von Taxis vorbei, volle Busse, hupende Autos, immer wieder schwarze Audis und polierte BMW's mit seitlich dunkel getönten Scheiben, ganze Geschwader von Fahrradfahrern, die auf Anhängern die eindrücklichsten Lasten transportieren und trotzdem in einem Höllentempo und mit tadelloser Gewandtheit im funktionierenden Verkehrschaos mithalten können.

Dann betritt man sein Wohnquartier, geht wort- und fast blicklos am Portier vorbei, steigt im richtigen Gebäude in den Lift, wo Tag für Tag der gleiche Mann auf seinem Stuhl sitzt und auf den Boden starrt, man murmelt „12. Stockwerk“, worauf der Mann den entsprechenden Knopf drückt. Und dann liegt man irgendwann in seinem Zimmer auf dem Bett und ausser ein paar Feuerwerkkrachern und Raketen, die jeden Abend abgeschossen werden, und ausser die Nachbarn ab und zu, hört man nichts, herrscht absolute Ruhe. Dann liegt man plötzlich da und kann sich kaum vorstellen, dass man sich in einer solch riesigen Stadt befindet. Man empfindet es als schiere Unmöglichkeit dass eine Stadt, in der so viele Menschen beieinander leben, dass eine Stadt, die tagsüber pulsierend und lärmig ist, in der unentwegt gelacht und geredet und gehetzt und gestritten und gelernt und gearbeitet, gehandelt und gekauft, gefahren und gegessen, sich geräuspert und auf den Boden gespuckt wird, dass so eine Stadt nachts auf einmal so friedlich daliegen kann. Man muss aufstehen, aus dem Fenster schauen. Ja, da stehen sie, still und schwarz, hohe Wohnblocks und Hochhäuser, elegante, modern verglaste und alte, blockartig geduckte, durch ausserhalb hängende Airconditioners verschandelt. Auf den Strassen gehen kaum Menschen; es ist, als würde unter dem dunklen, ausgelaugten und verbrauchten Nachthimmel alles Kraft schöpfen, um am nächsten Tag in einem faszinierenden, symbiotischen Chaos von neuem zu funktionieren.

3 Kommentare:

Sebastian hat gesagt…

Wow... obwohl Peking eigentlich nicht so die Stadt meiner Träume ist, bekomm ich beim Lesen echt so ein bisschen Fernweh...

eh-salat hat gesagt…

salü christine,
interessanter bericht.
wir wünschen dir weiterhin alles gute.
herzliche grüsse eh-salat.

Luna hat gesagt…

Wunderschön geschrieben, ich bin begeistert!!!

Bei so vielen Eindrücken hat man sogar beim Lesen ein unglaubliches "atemberaubendes" Tempo drauf. Aber genau das ist Peking! Sowohl den Clichés entsprechend, aber GLEICHZEITIG ganz anders...

Sehr schön ist es für mich auch zu lesen, dass Du nachts die Stadt, ebenso wie ich jedesmal auch, als so ruhig und friedlich erlebt hast. Ja, in Peking kann man sich wirklich sicher fühlen. ^^

Ganz liebe LG (am Samstagnacht hat es in Peking anscheinend geschneit, d.h. gib gut acht auf Deine Gesundheit =) Elli